Saison 1999/2000: Konzert 5
Vespro della Beata Vergine
Monteverdi und seine Freunde La Capella Ducale Musica Fiata Roland WilsonClaudio Monteverdis Marienvesper ist die wohl berühmteste barocke in Musik gefasste Ehrung der Mutter Jesu. Was aber so klerikal klingt, weist - zumindest musikalisch - durchaus weltliche Züge auf. Das von Musica Fiata vorgestellte Programm Monteverdi und seine Freunde fasst in einer frei zusammengestellten Folge von Werken des Meisters, seiner Schüler und Kollegen Kompositionen aus dem Umkreis der Marienverehrung zusammen. Die für das Konzert getroffene Auswahl präsentiert sowohl Instrumentalmusik als auch Vokalmusik, die ihren Opernton nicht verhehlt und die so oder ähnlich für die Patrizier Venedigs zusammengestellt worden sein könnte.
Programmfolge
Dixit Dominus à 6
(Sopran, Alt, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)
Giovanni Rigatti (1595-1668)
Audi dulcis amica mea
(Tenor, Orgel, Chitarrone)
Laudate pueri à 5
(Sopran, Alt, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)
Alessandro Grandi (gest. 1630)
O quam tu pulchra es (Alt, Chitarrone)
Giovanni Rovetta
Laetatus sum à 5
(Sopran, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)
Giovanni Valentini (1582-1649)
Canzon à 2 (Zink, Posaune; Orgel, Chitarrone)
Claudio Monteverdi (1567-1643)
Nisi Dominus à 5
(Sopran, Tenor, Bass, Violine, Zink; Orgel, Chitarrone)
Dario Castello
Sonata XII à 3, doi soprani e trombone
(Violin, Zink, Posaune; Orgel, Chitarrone)
Giovanni Rigatti
Lauda Jerusalem à 5
(Sopran, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)
Ardet cor meum
(Bass; Orgel, Chitarrone)
Alessandro Grandi
Ave Maris Stella voce sola e due violini
(Sopran, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)
Giovanni Rovetta
Magnificat à 6
(Sopran, Alt, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)
Dario Castello
Sonata seconda à soprano solo (Violine; Orgel, Chitarrone)
Claudio Monteverdi
Salve Regina à 3
(Alt, Tenor, Bass; Orgel, Chitarrone)
Giovanni Rovetta
Litaniae della Beata Vergine à 4
(Sopran, Alt, Tenor, Bass; Orgel, Chitarrone)
Maria zu Ehren
Mit einem Nimbus, der seinesgleichen sucht, umgab die Kultur des katholischen
Barock Maria als Himmelskönigin, Jungfrau und "Immaculata". Ihr waren
die prächtigsten kirchenmusikalischen Veranstaltungen der Epoche geweiht:
die großen Vespermusiken. Hatte man in Venedig etwa Mitte des 16.
Jahrhunderts noch dem Erlöser einen neuen Kirchenbau gelobt, um von
der Pest befreit zu werden, so war es 1630 Maria, die in langen Prozessionen über die Kanäle um Beistand angerufen wurde. In seinen 30 Amtsjahren als Markuskapellmeister hat Claudio Monteverdi die Musik zu diesen und zahllosen
anderen Marienfesten in der Lagunenstadt geliefert, wovon seine venezianischen
Psalmsammlungen wie der "Selva morale" beredtes Zeugnis ablegen. Monteverdi
war in der Bewältigung dieses ungeheuren Arbeitspensums jedoch nicht
allein. Die meisten barocken Marienvespern kamen arbeitsteilig zustande.
Musica Fiata stellte für das heutige Konzert eine Vesper zusammen, wie
sie in den letzten Lebensjahren Monteverdis in Venedig erklungen sein
könnte. Der Markuskapellmeister Monteverdi, seine Stellvertreter Grandi und Rovetta sowie sein Schüler Rigatti sind in den vokalen Abschnitten
zu gleichen Teilen vertreten, während die instrumentalen Intermezzi
dem Œuvre der Venezianer Dario Castello und Giovanni Valentini entlehnt
wurden. Drei Dinge waren für den Aufbau von Marienvespern im Barock
wesentlich: die feste Abfolge von fünf Psalmen (109, 112, 121, 125 und
147), ihre Umrahmung durch Antiphonen oder deren Ersetzung durch freie Motetten
oder Sonaten. Den Psalmen folgen neben dem Kapitel, dem Responsorium breve
und Gebeten der Hymnus, das Magnificat, eine Marianische Antiphon und eine
Litanei. Daraus ergibt sich der Aufbau unseres Konzerts: Jedem Psalm und
dem Magnificat folgt eine Motette bzw. Sonate. Zwischen den Psalmen und dem
Magnificat steht der Hymnus, auf die Sonate nach dem Magnificat folgen das
Salve Regina als Marianische Antiphon sowie die Lauretanische Litanei. Der
Reiz dieser Form liegt im kontinuierlichen Wechsel zwischen dem großen
Klang der Psalmen, der Intimität der monodischen Gesänge und der
beredten Virtuosität der Sonaten, die wie "Motetten ohne Worte" wirken.
Die Texte der Motetten sind fast durchweg freie Umgestaltungen von Abschnitten
aus dem Hohen Lied Salomonis. Die "schöne Freundin" wird auf die Jungfrau
umgedeutet und dadurch die gesamte Vesper als ekstatische Verehrung der Madonna
kenntlich gemacht.
Mitwirkende
Constanze Backes - Sopran
Ralf Popken - Alt
Wilfried Jochens - Tenor
Harry van der Kamp - Bass
Roland Wilson - Zink
Anette Sichelschmidt - Violine
Detlef Reimers - Posaune
Axel Wolf - Chitarrone
Christoph Anselm Noll - Orgel
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Sendung im Deutschlandfunk am 15. Februar 2000 ab 21.05 Uhr.