Saison 1999/2000: Konzert 5

Sonntag, 23. Januar 2000 17 Uhr Sendesaal des Deutschlandfunks

Vespro della Beata Vergine

Monteverdi und seine Freunde La Capella Ducale Musica Fiata Roland Wilson

Claudio Monteverdis Marienvesper ist die wohl berühmteste barocke in Musik gefasste Ehrung der Mutter Jesu. Was aber so klerikal klingt, weist - zumindest musikalisch - durchaus weltliche Züge auf. Das von Musica Fiata vorgestellte Programm Monteverdi und seine Freunde fasst in einer frei zusammengestellten Folge von Werken des Meisters, seiner Schüler und Kollegen Kompositionen aus dem Umkreis der Marienverehrung zusammen. Die für das Konzert getroffene Auswahl präsentiert sowohl Instrumentalmusik als auch Vokalmusik, die ihren Opernton nicht verhehlt und die so oder ähnlich für die Patrizier Venedigs zusammengestellt worden sein könnte.

Programmfolge

Giovanni Rovetta (1615-1649)
Dixit Dominus à 6
(Sopran, Alt, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)

Giovanni Rigatti (1595-1668)
Audi dulcis amica mea
(Tenor, Orgel, Chitarrone)

Laudate pueri à 5
(Sopran, Alt, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)

Alessandro Grandi (gest. 1630)
O quam tu pulchra es (Alt, Chitarrone)

Giovanni Rovetta
Laetatus sum à 5
(Sopran, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)

Giovanni Valentini (1582-1649)
Canzon à 2 (Zink, Posaune; Orgel, Chitarrone)

Claudio Monteverdi (1567-1643)
Nisi Dominus à 5
(Sopran, Tenor, Bass, Violine, Zink; Orgel, Chitarrone)

Dario Castello
Sonata XII à 3, doi soprani e trombone
(Violin, Zink, Posaune; Orgel, Chitarrone)

Giovanni Rigatti
Lauda Jerusalem à 5
(Sopran, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)

Ardet cor meum
(Bass; Orgel, Chitarrone)

Alessandro Grandi
Ave Maris Stella voce sola e due violini
(Sopran, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)

Giovanni Rovetta
Magnificat à 6
(Sopran, Alt, Tenor, Bass, Violine, Zink; Posaune, Orgel, Chitarrone)

Dario Castello
Sonata seconda à soprano solo (Violine; Orgel, Chitarrone)

Claudio Monteverdi
Salve Regina à 3
(Alt, Tenor, Bass; Orgel, Chitarrone)

Giovanni Rovetta
Litaniae della Beata Vergine à 4
(Sopran, Alt, Tenor, Bass; Orgel, Chitarrone)

Maria zu Ehren

Mit einem Nimbus, der seinesgleichen sucht, umgab die Kultur des katholischen Barock Maria als Himmelskönigin, Jungfrau und "Immaculata". Ihr waren die prächtigsten kirchenmusikalischen Veranstaltungen der Epoche geweiht: die großen Vespermusiken. Hatte man in Venedig etwa Mitte des 16. Jahrhunderts noch dem Erlöser einen neuen Kirchenbau gelobt, um von der Pest befreit zu werden, so war es 1630 Maria, die in langen Prozessionen über die Kanäle um Beistand angerufen wurde. In seinen 30 Amtsjahren als Markuskapellmeister hat Claudio Monteverdi die Musik zu diesen und zahllosen anderen Marienfesten in der Lagunenstadt geliefert, wovon seine venezianischen Psalmsammlungen wie der "Selva morale" beredtes Zeugnis ablegen. Monteverdi war in der Bewältigung dieses ungeheuren Arbeitspensums jedoch nicht allein. Die meisten barocken Marienvespern kamen arbeitsteilig zustande.

Musica Fiata stellte für das heutige Konzert eine Vesper zusammen, wie sie in den letzten Lebensjahren Monteverdis in Venedig erklungen sein könnte. Der Markuskapellmeister Monteverdi, seine Stellvertreter Grandi und Rovetta sowie sein Schüler Rigatti sind in den vokalen Abschnitten zu gleichen Teilen vertreten, während die instrumentalen Intermezzi dem Œuvre der Venezianer Dario Castello und Giovanni Valentini entlehnt wurden. Drei Dinge waren für den Aufbau von Marienvespern im Barock wesentlich: die feste Abfolge von fünf Psalmen (109, 112, 121, 125 und 147), ihre Umrahmung durch Antiphonen oder deren Ersetzung durch freie Motetten oder Sonaten. Den Psalmen folgen neben dem Kapitel, dem Responsorium breve und Gebeten der Hymnus, das Magnificat, eine Marianische Antiphon und eine Litanei. Daraus ergibt sich der Aufbau unseres Konzerts: Jedem Psalm und dem Magnificat folgt eine Motette bzw. Sonate. Zwischen den Psalmen und dem Magnificat steht der Hymnus, auf die Sonate nach dem Magnificat folgen das Salve Regina als Marianische Antiphon sowie die Lauretanische Litanei. Der Reiz dieser Form liegt im kontinuierlichen Wechsel zwischen dem großen Klang der Psalmen, der Intimität der monodischen Gesänge und der beredten Virtuosität der Sonaten, die wie "Motetten ohne Worte" wirken. Die Texte der Motetten sind fast durchweg freie Umgestaltungen von Abschnitten aus dem Hohen Lied Salomonis. Die "schöne Freundin" wird auf die Jungfrau umgedeutet und dadurch die gesamte Vesper als ekstatische Verehrung der Madonna kenntlich gemacht.

Karl Böhmer

Mitwirkende

La Capella Ducale und Musica Fiata musizieren heute in folgender Besetzung:

Constanze Backes - Sopran
Ralf Popken - Alt
Wilfried Jochens - Tenor
Harry van der Kamp - Bass

Roland Wilson - Zink
Anette Sichelschmidt - Violine
Detlef Reimers - Posaune
Axel Wolf - Chitarrone
Christoph Anselm Noll - Orgel

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Sendung im Deutschlandfunk am 15. Februar 2000 ab 21.05 Uhr.