Saison 2001/2002: Konzert 3

Sonntag, 18. November 2001 17 Uhr Sendesaal des Deutschlandfunks

Zwei Freunde - Prinz Louis Ferdinand und Beethoven

Schuppanzigh-Quartett Christoph Hammer, Hammerflügel Sendung im Deutschlandfunk am 27.11.2001

Dass Louis Ferdinand, Prinz von Preußen, als Anführer der preußischen Avantgarde in der Schlacht bei Saalfeld 1805 fiel, mag in einem doppelten Sinne als tragisches Zeichen gewertet werden: Nicht nur der militärischen, sondern auch der kompositorischen Avantgarde wurde einer ihrer Vertreter genommen. Schließlich hatte Beethoven selbst das Klavierspiel des Prinzen als "gar nicht königlich oder prinzlich, sondern als [das] eines tüchtigen Klavierspielers" gelobt und Schumann den Komponisten Louis Ferdinand als "Romantiker der klassischen Periode" bezeichnet. Zweimal sind sich die im Geist eng verbundenen Freunde Louis Ferdinand und Ludwig van Beethoven begegnet: 1796, während Beethoven am Hof in Berlin weilte und dem Preußischen König Friedrich Wilhelm II. seine Violoncello-Sonaten op. 5 widmete, und ein zweites Mal 1804 in Wien. Ein weiteres Mal sollen Sie sich in diesem Konzert begegnen: mit einem Klavierquintett von Prinz Louis Ferdinand und einem der Rasumowsky-Quartette Beethovens.

Programmfolge

Louis Ferdinand von Preußen (1772-1806)
Klavierquintett c-Moll op. 1
Allegro con fuoco
Menuetto -- Trio
Andante con variazioni
Rondo. Allegro gioioso

Pause

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Streichquartett C-Dur op. 59/3
Introduzione. Andante con moto -- Allegro vivace
Andante con moto quasi Allegretto
Menuetto grazioso
Allegro molto

Brüder im Geiste

"Er spielt weder königlich noch prinzlich, sondern wahrhaft wie ein tüchtiger Klavierspieler." Dieses Kompliment machte dem jungen Prinzen Louis Ferdinand kein Geringerer als Ludwig van Beethoven anlässlich seines Berlin-Besuchs im Juni 1796, als beide vor dem preußischen König konzertierten. Die musikalische Erziehung gehörte für den Prinzen zur Grundausbildung. Sein Vater, Prinz August Ferdinand, war der jüngste Bruder Friedrichs des Großen. Eigentlich wurde Louis Ferdinand auf den Namen "Friedrich Ludwig Christian von Preußen" getauft, sein Vater nannte ihn jedoch schon französisch "Louis" -- ein Name, der ihm, zusammen mit einem Vornamen des Vaters, anhaften blieb,um ihn vom Sohn des Kronprinzen zu unterscheiden, der ebenfalls "Louis" gerufen wurde. Während Louis Ferdinands frühe Jugend unbeschwert verlief und reich war an musikalischen Erlebnissen (so wohnte er vermutlich auch 1789 Mozarts Auftritt in Berlin bei), änderte sich mit den Folgen französischen Revolution schlagartig alles. Wie viele junge Adelige trat er in die Armee ein und war bereits im Alter von 17 Jahren an ersten kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt. Er erwarb sich in den folgenden Jahren einen bemerkenswerten Ruf als heldenhafter, mutiger Offizier, der sich bemerkenswert menschlich gegenüber der gegnerischen Bevölkerung verhielt. Seine geradezu an Leichtsinn grenzende Kühnheit im Kampf machte ihn in ganz Deutschland berühmt. Erst als Friede geschlossen war und er in verschiedene Garnisonsstädte geschickt wurde, konnte er sich wieder mit Muße der Musik widmen. Häufig besuchte er Berlin und wurde zu einem Mittelpunkt der adeligen und bürgerlichen Salons. Als seinen musikalischen Berater engagierte er den berühmten Pianisten Johann Ladislaus Dussek, der ihm bis zu seinem frühen Tod verbunden blieb. In diesen Jahren entstanden auch die musikalischen Hauptwerke Louis' Ferdinands, so das 1803 in Paris veröffentlichte Klavierquintett op. 1.Durch die sich zuspitzende politische Lage wurde er jedoch jäh aus dieser künstlerisch fruchtbaren Schaffenphase gerissen. Preußen machte mobil gegen das napoleonische Frankreich, und bereits bei der ersten Schlacht des neuen Krieges im Oktober 1806 nahe dem thüringischen Saalfeld fügte Napoleon dem preußischen Heer schwerste Verluste zu. Unter den Gefallenen befand sich auch Prinz Louis Ferdinand. Theodor Fontane verfasste noch 1857 eine Ballade auf den Tod des Prinzen, in der es heißt:

"Vorauf den anderen allen,
Er stolz zusammenbrach;
Prinz Louis war gefallen
Und Preußen fiel -- ihm nach."

Im Volk wurde Louis Ferdinands Tod zutiefst betrauert, ja seine Persönlichkeit in einer Art Heldenkult verehrt. Dies hielt sich bis zur Jahrhundertfeier der Schlacht von Saalfeld -- verstellte aber den Blick auf eine angemessene Würdigung des hochbegabten Komponisten und Pianisten. Seine Werke wurden immer weniger gespielt, und um die Mitte des 19. Jahrhunderts verschwanden sie völlig aus dem Repertoire. Aber nicht aus dem Blickfeld anderer Komponisten; so bezeichnete Robert Schumann Prinz Louis Ferdinand als "Romantiker der klassischen Periode". Für uns heute ist es in hohem Maße lohnend, das nur dreizehn Werke zählende Œuvre wieder zu beleben und einen Komponisten kennen und schätzen zu lernen, der zu den größten Talenten seiner Zeit gehört.

Olaf Krone

*

Im November 1792 siedelte Ludwig van Beethoven mit knapp 22 Jahren von Bonn nach Wien über, um sich vom Hofmusikeralltag beim Kölner Kurfürsten zu lösen und bei Joseph Haydn in die kompositorische Lehre zu gehen. Nach dessen Abreise in Richtung London im Januar 1794 wurden Johann Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri Beethovens zu seinen maßgeblichen musikalischen Mentoren; gleichzeitig bot ihm eine Reihe kunstsinniger Adeliger im Gelegenheit bieten, sich als Komponist und Interpret der in Wien tonangebenden Öffentlichkeit vorzustellen und allmählich zu etablieren. Eine Konzertreise im Jahr 1796 markiert dann den Zeitpunkt, zu dem Beethoven den Wiener Wirkungskreis für eine Weile verlies, um seine überregionale Reputation zu festigen. Nach Stationen in Prag und Dresden erreichte er im Mai Berlin, wo er sich bis Anfang Juli aufhielt. Mehrmals musizierte er hier vor Friedrich Wilhelm II., zum Teil gemeinsam mit dem Hofcellisten Jean-Pierre Duport (zu dieser Gelegenheit entstanden die dem preußischen König gewidmeten Cellosonaten op. 5 und die Händel-Variationen WoO 45). Und bei dieser Gelegenheit lernte er auch den Prinzen Louis Ferdinand als exzellenten Klavierspieler kennen.
Gerne wüsste man mehr über die sich in den überlieferten Dokumenten andeutenden Sympathien, die sich zwischen den beiden nahezu gleichaltrigen, in Herkunft und Stand jedoch so unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten entwickelten -- immerhin nennt Beethoven den Prinzen in einer bemerkenswerten Begriffswahl den "menschlichsten Menschen". Wiedergesehen haben sie sich 1804 in Wien. Beethoven hatte dem Prinzen sein 1800 vollendetes Klavierkonzert c-Moll op. 37 gewidmet. Als es gerade im Druck erschien, weilte Louis Ferdinand in politischer Mission in der Donaumetropole, um Möglichkeiten eines österreichisch-preußischen Militärbündnisses auszuloten. Bei dieser Gelegenheit ließ er sich Beethovens gerade vollendete Eroica-Sinfonie vorspielen, und das mehr als einmal -- sehr zum Missvergnügen eines Großteils des Publikums, der mit dieser neuartigen Musik nichts anzufangen wusste.
Etwa zehn Jahre nach dem Berliner Gastspiel, im Todesjahr des Prinzen, sehen wir Beethoven in einer seiner fruchtbarsten Schaffensphasen. Noch bevor das Jahr 1806 zu Ende geht, hat er u.a. die Appassionata-Sonate, die 4. Sinfonie, das Violinkonzert und im Großen und Ganzen auch das vierte Klavierkonzert vollendet. Und auf dem Gebiet des Streichquartetts seine drei Werke op. 59, die er dem russischen Gesandten in Wien, Fürst Andreas Kyrillowitsch Rasumowsky widmet, dem Gönner bereits seit einem Jahrzehnt. Diese Quartette ragen in ihrem kompositorischen Anspruch weit über das damals Gewohnte hinaus. Staunenswert bleibt bis heute Beethovens thematischer Erfindungsreichtum.
Nachdem er in den ersten beiden Quartetten russische Volksliedmelodien verarbeitet hat, erlaubt sich Beethoven im Andante des C-Dur-Quartetts eine eigene Annäherung an das fremde Idiom. Dem aristokratischen Widmungsträger verpflichtet scheint die konservative Menuett-Form des vorletzten Satzes, der dann aber in ironisch anmutender Wendung "attacca subito" ins Finale fällt. Wie die Klaviersonate und die Orchesterwerke, so wird das dritte Rasumowsky-Quartett auf Anhieb ein Erfolg beim Wiener Publikum. Dieser Erfolg sicherte Beethoven das Publikationsinteresse der Musikverlage und vermehrte seinen künstlerischen Ruhm europaweit.

behe

Mitwirkende

Schuppanzigh-Quartett
Christoph Hammer - Hammerflügel