2022/2023: Konzert 3

Sonntag, 20. November 2022 Museum für Angewandte Kunst 17 Uhr

Dessiner les passions

Französische Cembalomusik des Grand Siècle Andreas Gilger – Cembalo Andreas Gilgert Sendung auf WDR 3 am 17. Januar 2023 ab 20.04 Uhr

Das ursprünglich geplante Konzert mit Daniel Ahlert (Mandoline) und Léon Berben (Cembalo) fiel krankheitsbedingt aus.

Programmfolge

Jean-Henri d’Anglebert (1629–1691) Suite G-Dur – zusammengestellt aus den Pièces de Clavecin (Paris 1689) Prélude – Allemande – Courante – Double de la Courante – 2.e Courante – 3.e Courante – Sarabande – Gigue – Gaillarde – Chaconne. Rondeau – Gavotte – Menuet Jacques Champion de Chambonnieres (1601/02–1672) Suite a-Moll – zusammengestellt aus Les Pieces de Clavessin (Paris 1670) Allemande la Rare – Courante – Double de la Courante – Courante – Courante – Sarabande – Gaillairde Henry Du Mont (1610–1684) Suite d-Moll – zusammengestellt aus dem Manuscrit Bauyn (Paris, Bibliothèque nationale) Allemande – Allemande – Courante – Pavane Jean-Nicolas Geoffroy (1633–1694) Suite F-Dur – zusammengestellt aus dem Livre des pieces de clavessin de tous les tons naturels et transposéz Allemande – Courante – Sarabande – Chaconne Louis Couperin (um 1626–1661) Suite C-Dur – zusammengestellt aus dem Manuscrit Bauyn (Paris, Bibliothèque nationale) Prelude – Allemande – Courante – Sarabande – Passacaille

Die Affekte gestalten

Ludwig XIV. war zweifellos einer der einflussreichsten, wenn auch umstrittensten Monarchen der europäischen Geschichte. Unumstritten jedoch ist der Umstand, dass unter seiner Herrschaft und Förderung die französischen Künste bis zu einem Punkt gediehen, an dem sie Quell des Neides und der Nachahmung in ganz Europa wurden. Einer der wichtigsten Künstler im Umfeld des Sonnenkönigs war dessen Hofmaler Charles Le Brun (1619–1690), dem mit seinen Gemälden und Innendekorationen, aber auch mit seinem posthum erschienenen Traktat Méthode pour apprendre à dessiner les passions der Einzug in die Kunstgeschichte gelungen ist.

In der Méthode beschreibt Le Brun mit Worten und Kupferstichen die Affekte, die ein Maler darstellen kann, welche Reaktionen sie im Menschen auslösen und wie sie zu malen sind. Da es laut den Quellen der Zeit nicht nur die Aufgabe eines Malers, sondern auch die eines Musikers war, die Affekte in ihrer vollen Stärke spürbar zu machen, habe ich mich für dieses Programm von Le Bruns Méthode inspirieren und anleiten lassen. Natürlich ist Le Brun nicht die einzige Quelle, die ich konsultierte: mit Quellen zu Malerei, Musik, Schauspiel, Literatur und Rhetorik versuchte ich, mich so tief wie möglich in die allgemeine Ästhetik, die musikalische Stilistik, kurz gesagt: in den künstlerischen bon goût des Grand Siècle einzuarbeiten.

Eine solch gründliche theoretische Vorbereitung wäre unnütz, stünde nicht das entsprechende Werkzeug parat. Daher tat ich mich extra für das französische Repertoire des 17. und frühen 18. Jahrhunderts mit dem Cembalobauer Matthias Griewisch für eine auch im kleinsten Detail originalgetreue Kopie eines Cembalos des Pariser Instrumentenbauers Vaudry aus dem Jahre 1681 zusammen.

So versuche ich, in diesem Programm mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln die Cembalomusik unter Ludwig XIV. in der Gegenwart zum Leben zu erwecken. Dort, wo die Quellen schweigen, wo die Theorie aufhört, tue ich es meinen barocken Vorläufern gleich und fülle die Lücken mit meinen eigenen Hoffnungen, Ängsten, Sehnsüchten und Schmerzen, alles mit dem Ziel vor Augen, die Affekte zu zeichnen – nicht mit einem Pinsel, sondern mit Tönen!

Sollten Sie, liebes Publikum, beim Hören also versehentlich schmunzeln, sich eine Träne wegwischen oder mit den Zähnen knirschen, ist mir dies gelungen. Nichts würde mich glücklicher machen!

Andreas Gilger

Mitwirkende

Andreas Gilger – Cembalo

Andreas Gilger spielt auf seinem Cembalo von Matthias Griewisch (Bammental 2020) nach einem Original von Vaudry, Paris 1681.
Stimmung und Stimmton: 1/4-Komma-mitteltönig, a’ = 400 Hz