2025/2026: Konzert 3
Inspiration für Bach
In Zusammenarbeit mitbach 25 – Ein Bach-Fest Für KölnTastenmusik aus der
Ariadne Musicavon Johann Caspar Ferdinand Fischer und dem
Wohltemperierten Claviervon Johann Sebastian Bach Christine Schornsheim
Sendung auf WDR 3 am 31. März 2026 ab 20.03 Uhr
Mit dem Wohltemperierten Clavier
stellte Johann Sebastian Bach 1722 eine Sammlung von 24 Präludien und Fugen durch alle Dur- und Molltonarten zusammen, die bis heute zum herausfordernden Pflichtpensum aller Tastentalente gehört. Die Idee dazu kam aber nicht von ungefähr: Schon zwei Jahrzehnte zuvor hatte der badische Kapellmeister Johann Caspar Ferdinand Fischer seine Ariadne Musica
mit kurzen Präludien und Fugen in 20 verschiedenen Tonarten veröffentlicht. Christine Schornsheim stellt die Musik von Fischer und Bach einander gegenüber. Das verspricht spannende Hörvergleiche.
Programmfolge
Auf dem Weg in alle Tonarten
Die Clavicymbale wußte er, in der Stimmung, so rein und richtig zu temperiren,
daß alle Tonarten schön und gefällig klangen. Er wußte von keinen Tonarten,
die man, wegen unreiner Stimmung, hätte vermeiden müssen.
– Keine Frage: Für
Johann Sebastian Bach, über den sein Sohn Carl Philipp Emanuel hier in einem
Nachruf spricht, war das Spielen in allen Tonarten eine Selbstverständlichkeit. Eine
erste Sammlung mit 24 Präludien und Fugen zu allen Dur- und Moll-Tonarten legte er 1722
unter dem Titel Das Wohltemperierte Clavier vor.
Aus physikalischen Gründen ist es nicht möglich, dass alle Dur- und Moll-Akkorde
über den zwölf Halbtönen einer Oktave aus reinen Terz- und Quintintervallen bestehen.
So mancher Bach-Zeitgenosse folgte noch der alten Lösung der mitteltönigen Stimmung,
in der nur Akkorde mit wenigen Vorzeichen rein oder fast rein waren, während andere
fast unerträglich falsch
klangen. Die moderne Lösung ist die gleichschwebende
Stimmung, in der alle Akkorde gleich (un)sauber klingen – was sich das Ohr zurechthört
.
Die temperierte Stimmung hat demgegenüber den Vorteil, dass jeder Akkord und damit jede
Tonart ein wenig anders klingt. Darauf basierte auch die barocke Tonarten-Charakteristik.
Schon im 17. Jahrhundert wurde die Frage der Temperierung unter progressiven Tastenmeistern
heiß diskutiert, und solche Musiker nahm sich der junge Bach zum Vorbild, bestätigt
sein Sohn: Außer Frobergern, Kerl u. Pachelbel hat er die Wercke von Frescobaldi,
dem Badenschen Capellmeister Fischer, Strunck, einigen alten guten französischen, Buxdehude,
Reincken, Bruhnsen u. dem Lüneburgischen Organisten Böhmen geliebt u. studirt.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang Johann Caspar Ferdinand Fischer. Der legte schon 1702 mit der Aridadne Musica einen Kompositionszyklus vor, dessen 20 kürzere Präludien und Fugen 19 Dur- und Molltonarten berücksichtigten, dazu die alte Kirchentonart Phrygisch (auf e ohne Vorzeichen); ausgeklammert blieben noch Cis- und Fis-Dur, es-, as- und b-Moll. Die Widmung an den Abt der Prämonstratenserabtei Tepl in Böhmen deutet darauf hin, dass Fischer zu seinem Zyklus durch die temperierte Stimmung der dort neu erbauten Chororgel motiviert wurde. Fischer lebte damals als Kapellmeister des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden nicht weit entfernt im Residenzstädtchen Schlackenwerth (heute Ostrov). Als Schüler des dortigen Piaristen-Gymnasiums war er zur Musik gekommen und seit etwa 1690 der Nachfolger seines einstigen Musiklehrers Augustin Pfleger. Markgraf Ludwig Wilhelm regierte damals von Schlackenwerth aus, dem Familiensitz seiner Gattin Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg, da seine Residenz Baden-Baden im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört worden war. Der markgräfliche Hof zog 1705 in die neue Residenz Rastatt, doch für den Kapellmeister hatte man erst 1715 wieder Verwendung. Es müssen zehn prekäre Jahre für Fischer und seine Familie in Böhmen gewesen sein. Danach konnte er in Baden aber noch bis ins hohe Alter seine Stärke auch als Schöpfer von Bühnenwerken beweisen.
Heute Abend steht der Tastenvirtuose und Kontrapunktmeister Fischer im Vordergrund, der mit seiner Musik den fast 30 Jahre jüngeren Bach interessiert und inspiriert hat. Der fand Kompositionen Fischers in der Musiksammlung des älteren Bruders Johann Christoph, in dessen Haushalt er mehrere Jahre lebte. Druckausgaben der Ariadne Musica und der galanten Suiten-Sammlung Musicalisches Blumen-Büschlein könnten ihm während seiner Hoforganisten-Zeit in Weimar von 1708 bis 1717 zugänglich gewesen sein. Ein Band mit neun weiteren Suiten, die nach den Musen der griechischen Mythologie benannt sind, veröffentlichte Fischer unter dem Titel Musicalischer Parnassus erst 1738. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bach in Leipzig schon zwei Teile seiner Clavier- Übung publiziert, und er war dabei, für seinen wachsenden Kreis von Tastenschülern einen Fortsetzungsband zum Wohltemperierten Clavier zusammenzustellen. Davon existiert unter anderem eine Sammelhandschrift, an deren Erstellung auch seine Frau Anna Magdalena und sein Sohn Wilhelm Friedemann mitgewirkt haben.
Im heutigen Programm führt
Christine Schornsheim die Tastenmeister Fischer und Bach in einen Dialog. Auf die Suite
a-Moll, BWV 818, die Bach vermutlich noch in Weimar komponiert hat, antwortet Fischer
mit der Suite a-Moll Melopomene
– beides Claviermusik im modischen französischen
Ton. Bach entscheidet sich für eine geringere Anzahl von Sätzen, die er um so anspruchsvoller
ausarbeitet. Dass Fischer seine musikalischen Ideen schneller auf den Punkt bringt, hat
im Fall der Präludien und Fugen aus Ariadne Musica sicher auch mit ihrer ursprünglichen
Rolle als beispielhafte Orgelstücke für die kirchliche Liturgie zu tun. Doch Bach hat
das Wohltemperierte Clavier ebenfalls in erster Linie für angehende Organisten
entworfen, um eine Idee zu vermitteln von der großen Palette an stilistischen Möglichkeiten
im freieren Präludieren wie in der strengeren Kontrapunktkunst der Fugen.
Mit der Suite g-Moll aus Fischers Musicalischem Blumen-Büschlein führt
der Weg zurück in die Welt der Galanterien
– der Begriff fällt auf der Titelseite
des Drucks. Hier schlägt der Komponist einen ernsten, melancholischen Ton an – auf
das pathetische Praeludium folgt dann zunächst auch eine Plainte, das
französische Pendant zum Lamento. Derselbe Affekt prägt auch die Antwort
darauf,
die g-Moll-Sonate aus Bachs Sei Soli für Violine. Der Verfasser spielte
sie selbst oft auf dem Clavichorde und fügte von Harmonie so viel bey, als er dazu nötig
befand
, berichtet sein Schüler Johann Friedrich Agricola. Der legendäre Interpret
Gustav Leonhardt hat sie vor etwa 50 Jahren in einer Tasten-Version in d-Moll vorgelegt.
Ich denke, dass Bach mir vergeben hätte, dass ich mich an die Bearbeitungen gemacht
habe; ob er mir vergeben hätte, wie ich es machte, ist natürlich unentschieden.
Mitwirkende
Im heutigen Konzert spielt Christine Schornsheim ein Cembalo nach Johannes Couchet (Antwerpen, 17. Jahrhundert, mit französischen Umfangserweiterungen aus dem 18. Jahrhundert), erbaut von Burkhard Zander (Deutz am Rhein 1999; im Besitz der Werkstatt).