2024/2025: Konzert 8
Messa per Santa Maria Salute
Geistliche Musik für Venedig von Claudio Monteverdi Musica fiata | La Capella Ducale Ltg. Roland Wilson
1630 begann der Doge von Venedig mit dem Bau der Kirche Santa Maria della Salute,
in der Hoffnung auf ein Ende der in der Stadt wütenden Pest. Claudio Monteverdi
als Kapellmeister am Markusdom lieferte dazu außergewöhnliche Vertonungen des
Messtextes, von denen das großartig lebensbejahende Credo allerdings nur als Fragment
überliefert ist. In der Aufführung durch Musica Fiata und ihr Vokalensemble La
Capella Ducale erklingt es in einer Vervollständigung, in der auch die von Geert
Jan van der Heide rekonstruierten Trombe squarciate
zum Einsatz kommen.
Programmfolge
Andrea Gabrieli (1531–1585)Musik am Ende einer Pandemie
»Es ward eine sehr feierliche Messe gesungen, wobei maestro di capella Monteverdi, die Herrlichkeit unserer Tage, im Gloria und im Credo die Singstimmen und die trombe squarciate zu köstlichen, wunderbaren Harmonien verband.« – So heißt es in einer Beschreibung der Messe, mit der man am 21. November 1631 in Venedig das Ende der Pest feierte. Seit 1630 wütete die Seuche in der Lagunenstadt. Der Doge legte ein Gelübde ab, eine neue Kirche zu bauen – Maria della Saute –, wenn die Gottesmutter die Stadt von der Pest befreien würde. In diesem Zusammenhang schrieb Claudio Monteverdi, der Kapellmeister am Markusdom, die Musik für drei bedeutende Messen am 26. Oktober 1630 zum Gelübde, am 1. April 1631 zur Grundsteinlegung und insbesondere am 21. November desselben Jahres zum Ende der Pest.
Der Musikwissenschaftler James H. Moore hat die betreffenden Stücke identifiziert, die zu einem großen Teil in Monteverdis 1641 veröffentlichtem Selva morale e spirituale zu finden sind, einer umfangreichen Sammlung seiner geistlichen Musik. In den letzten Jahren hat man weitere Informationen gefunden, die Moores These stützen.
Aus dem Selva morale konnte man bislang häufig Vesper-Musiken mit Psalmen und dem Magnificat erleben. Die in der Sammlung enthaltenen Messteile und einige Solo- Motetten, die zu den großartigsten in Monteverdis Schaffen gehören, werden hingegen äußerst selten aufgeführt, da für sie ein sinnvoller Kontext fehlt. Eine Ausnahme bildet der Pianto della Madonna – Monteverdis geistliche Kontrafaktur des Lamento di Arianna (aus seiner im Übrigen verschollenen Oper von 1608). Auch hier hat Moore der Ursprung der Kontrafaktur in einer Aufführung während der Pest-Zeremonien identifiziert: Stellvertretend für alle Menschen, die Angehörige in der Pest verloren haben, beweint Maria ihren Sohn.
Unbestritten ist die Zugehörigkeit des großen konzertanten Gloria, des Credo und der atemberaubenden Solomotette Ab aeterno zur Messe vom 21. November 1631. Diese drei Stücke bilden den Kern unseres Programms. Ein Schwerpunkt in der Vorbereitung unsere Aufführung lag dabei in der Rekonstruktion des umfangreichen Credo, da leider nur ein Teil davon im Selva morale abgedruckt wurde. Zwei zeitgenössische Berichte erwähnen die besondere Beteiligung von Trombe squarciate im Gloria und insbesondere im Credo. Dort sind diese Tromopeten im großen Finale (»Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben«) unabdingbar.
Unser Programm beabsichtigt keine rein liturgische Rekonstruktion, obwohl alle Messteile vorhanden sind. Vielmehr sollen all die hervorragenden Kompositionen Monteverdis präsentiert werden, die laut Moore zu den Feierlichkeiten gehörten. Nach der Messe im Markusdom gab es eine Prozession mit dem Heiligenbild der siegbringenden Madonna Nicopeia nach Maria della Salute. Dabei wurde von der Capella Ducale eine doppelchörige lauretanische Litanei gesungen, die auch Teil unseres Programms ist. Der traditionelle Umzug auf dem Markusplatz vor der Messe wird hier mit einer Battaglia in der üblichen venezianischen Besetzung mit Trombe squarciate, Pommern und Posaunen dargestellt.
Diese besonderen Trompeten gab es nur in Venedig; da sie in mehreren Teilen des Credo unverzichtbar waren, hatte es für den Verleger des Selva morale keinen Sinn, diese Teile in den Druck zu übernehmen. Kurze gerade Trompeten, die in Prozessionen zusammen mit Pommern und Posaunen musizieren, sieht man auf vielen Bildern des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Länge kann man auf 130 – 140 Zentimeter schätzen; demnach waren sie in A gestimmt. Was aber bedeutet »squarciate«? Auf keinen Fall waren hier Posaunen gemeint; in den Berichten ist explizit von trombette, also kleinen Trompeten, die Rede. »Squarciate« kann ›schreiend‹ bedeuten, aber das kann hier kaum zutreffen, wenn Monteverdi die Trompeten »mit dem Gesang in köstlichen, wunderbaren Harmonien verband«. Das Wort kann aber auch ›auseinanderreißen‹ bedeuten. Bei Instrumenten mit einem Zug entsteht der Eindruck des Auseinanderreißens. Wenn eine kurze gerade Trompete in A mit einem Ganztonzug versehen ist, sind tatsächlich alle chromatischen Töne von g’ bis a’’ spielbar, was zu den in Frage kommenden Stellen im Gloria und Credo perfekt passt. Diese speziellen Trompeten wurden in unserem Auftrag anhand der ikonographischen Zeugnisse durch den niederländischen Instrumentenbauer Geert Jan van der Heide für das Programm rekonstruiert.